Es ist Krieg im Nahen Osten. Zwar beschränkt sich die Eskalation des Konflikts gegenwärtig auf den Gazastreifen. Doch auch im Westjordanland ist die Lage angespannt. Adventliche Stimmung? Bei vielen Fehlanzeige. Jesu Geburtsort Bethlehem verzichtet sogar auf Weihnachtsdeko. Dabei hatten viele Christen im Heiligen Land so sehr gehofft, den Advent und das Fest der Geburt des Erlösers nach der überstandenen Corona-Zeit wieder normal begehen zu können.
Am 4. Dezember ist das Fest der heiligen Barbara. Gegen den Willen ihres Vaters wurde sie im dritten Jahrhundert Christin. Er sperrte sie in einen Turm. Der örtlichen Überlieferung nach floh Barbara vor ihrem Vater, der ihr, blind vor Wut über die Bekehrung seiner schönen Tochter, nach dem Leben trachtete. Barbara versteckte sich in einer Höhle. An einem verdorrten Kirschzweig, der neu aufblühte, erkannte sie, dass auch sie nach ihrem Tod zu neuem, ewigem Leben erblühen würde. Ihr Vater fand sie und enthauptete seine eigene Tochter.
Prozession zu Barbara
Nur einen Steinwurf von dem 2500-Seelen-Dorf Aboud im Westjordanland liegt der Hügel der Überlieferung. Ihn krönen die Überreste der spätantiken Barbara-Kirche aus dem sechsten Jahrhundert. Dorthin ziehen traditionell am Vorabend des Gedenktags der Heiligen die christlichen Dorfbewohner in einer Prozession. Begleitet werden sie von Pfadfindergruppen und volkstümlichen Barbara-Gesängen.
Im flackernden Schein von Kerzen geht es nach den Gebeten von der Barbara-Höhle zurück in den Gemeindesaal. Dort sitzt man zusammen und isst „Burbara“, den die Frauen aus Aboud für das ganze Dorf gekocht haben. Dieser „Burbara“ ist ein nach dem arabischen Namen der Heiligen benannter Weizenpudding. Er besteht aus Getreide, Zimt, Fenchel und Anis. Granatapfelkerne und verschiedene Nüsse dienen der Dekoration der Süßspeise.
In diesem Advent aber hat das ganze Land angesichts der Gräueltaten und Geiselnahmen durch die eine Seite und der Bombardierung von Kindern und Krankenhäusern durch die andere Seite sein „Trauergewand“ angelegt. Viele Menschen in Aboud dürften den „Burbara“ als bitter empfinden – falls sie ihn denn überhaupt zubereiten.
Nikolaus-Feier anders als sonst
Zwei Tage nach dem Barbara-Tag steht der Gedenktag eines der populärsten Heiligen im Kalender: Nikolaus. Er wird auch im Heiligen Land verehrt, ist Schutzpatron der Stadt Beit Jala bei Bethlehem. Nikolaus wurde um 270 in Patara geboren, einer Stadt an der türkischen Mittelmeerküste. Als Abt eines Klosters in Myra verteilte er das Erbe seiner Eltern an die Armen.
Mit Beit Jala verbindet ihn eine Überlieferung, wonach er dort nach einer Pilgerfahrt ins Heilige Land für einige Zeit als Einsiedler in einer Höhle lebte. Schon im vierten Jahrhundert begannen Mönche, über der Höhle ein Kloster zu bauen. Heute können dessen Ruinen und die Höhle unter der Kirche besichtigt werden.
In normalen Jahren feiern die Einwohner von Beit Jala das Fest ihres Heiligen mit großem Aufwand. Weil sie den auf Julius Cäsar zurückgehenden julianischen Kalender verwenden, finden die Feierlichkeiten am 19. Dezember statt. In diesem Jahr begleiten die religiösen Feiern keine Straßenumzüge, Theateraufführungen, Chor-Auftritte und auch kein Weihnachtsbasar. Im Mittelpunkt steht nur die Liturgie mit dem Gedächtnis an den heiligen Nikolaus, den großen Kinderfreund.
Aus der Freude über die Geburt des Herrn entstand in Beit Jala die Initiative „1001 Geschenke“. Sie bleibt trotz Terror und Krieg bestehen. Es scheint, als habe der heilige Nikolaus als Patron der überwiegend christlichen Stadt der Jugend von Beit Jala die Liebe zum Geben in die Herzen gepflanzt: Die jungen Leute sammeln mehr als 1600 Geschenke für christliche und muslimische Kinder. Damit soll ein Lächeln der Hoffnung in ihren Herzen gesät werden. In diesem Jahr ist diese Geste besonders wichtig.
„Baum der Gnade“
Nördlich von Jerusalem liegt das Städtchen Bir Zeit. Es hat nur rund 5000 Einwohner, aber eine Universität. Hier ist Abuna Louis Hazboun katholischer Pfarrer. Die vier Kerzen auf dem Adventskranz in seiner Kirche rufen seine Gläubigen an den vier Adventssonntagen symbolisch zu Gebet, Buße, Hoffnung und Freude auf. Zwei Wochen vor dem Weihnachtsfest bereitet er die Schüler seiner christlichen Privatschule mit der Beichte auf Weihnachten vor, damit Jesus in ihren Herzen neu geboren werden kann.
Mit den Mitgliedern seiner Gemeinde stellt Pater Louis in der Kirche einen „Baum der Gnade“ auf. Daran hängen verschiedene Etiketten. Auf jedem Zettel steht ein Geschenk für die Armen: Nudeln zum Beispiel, Zucker, Spielzeug, Reis und andere Dinge. Jedes Kind der Pfarrei kann einen Zettel auswählen und mit seinen Eltern das entsprechende Geschenk kaufen und in der Nähe des Altars ablegen. An Weihnachten werden die Geschenke dann bedürftigen Familien überreicht.
Solidarität mit Gaza
Auf dem Platz vor der Geburtskirche in Bethlehem steht in der Adventszeit normalerweise ein großer Weihnachtsbaum, den Kugeln und Lichterketten schmücken. An der Krippe mit lebensgroßen Figuren vor dem Baum postieren sich zahlreiche Kinder. In diesem Jahr ist alles anders: Aus Solidarität mit den „Märtyrern“ in Gaza verzichtet die von einem christlichen Bürgermeister geleitete Stadt auf ihre traditionelle Dekoration.